Gräßlich, scheußlich, grauenhaft, gut! Ich habe dieses Buch vorgestern innerhalb weniger Stunden ausgelesen und zu seinen Gunsten auf eine Stunde Nachtschlaf verzichtet, was etwas heißen soll. Ich geb euch erstmal den Klappentext:
Nigel ist sicherlich nicht der Schlauste. Aber er ist meistens ganz guter Laune. Im Büro gibt es immer etwas zu kopieren, und außerdem sind da Cheryl und Karen. Auch im Pub, den seine Eltern früher führten und in dem Nigel jetzt wohnt, fühlt er sich wohl. Und dann ist da noch der Keller. Hier hält Nigel seine Mitbewohner. Dass die nicht freiwillig da unten wohnen, stört Nigel nicht …
Ich finde Geschichten über Psychotäter meistens sehr verstörend, aber spannend. Ebenso bin ich berührt von Geschichten, in denen Menschen gefangen gehalten werden, vielleicht, weil das für mich eine der grauenhaftesten Vorstellungen überhaupt ist. Ich hatte früher manchmal Beklemmungsgefühle in geschlossenen Räumen.
In diesem Buch treffen sich beide Komponenten zu einer Geschichte zusammen, was ein Anreiz war, sie zu lesen.
Ich habe als Kritikpunkt zu diesem Buch oft gelesen, dass das Buch einen zu simplen Schreibstil hätte. Ich finde den Stil konsequent und gut inszeniert, denn Nigel ist immerhin auf dem geistigen Niveau eines Grundschülers und da die ganze Geschichte aus seiner Perspektive erzählt wird, finde ich einen simplen Stil sehr richtig. Hätte Beckett für Nigel in seiner Erzählung einen komplexeren Ausdruck, viele Fremdwörter oder Nebensätze verwendet, wäre seine einfache Denkweise nicht so richtig und konsequent nachvollziehbar gewesen. Als Leserin liest man sowieso mehr, als Nigel offenbaren will und verstehen kann, da es Anspielungen und Subtexte gibt, die wir als Lesende verstehen, Nigel aber nicht.
Mein Kritikpunkt bzw. meine Kritikpunkte beziehen sich eher auf die Längen des Buches und auf das Ende.
Ich finde den Erzählfluss des Buches schön und angemessen, nichts wird zu ausschweifend oder zu kurz erklärt - bis zur Mitte des Buches, als Nigel Besuch von seinen begehrten Arbeitskolleginnen erhält.
Minutiös schildert Beckett, wie Nigel aufsteht und etwas zu trinken holt, sich wieder hinsetzt, wieder aufsteht, in die Küche geht... das wird ganz einfach langweilig. Klar könnte man jetzt dagegen einwenden, dass man so nachvollziehen kann, wie Nigel von seinen Besucher_Innen herumgescheucht und ausgenutzt wird, aber ehrlich, dazu hätte die Hälfte oder meinethalben zwei Drittel der Beschreibungen ausgereicht. Bei mir ist in der Zeit etwas Spannung verpufft, weil ich dachte, was passiert nun, wie gehts weiter? Ach, Nigel kocht Tee. Schon wieder. Gäääääähhhn.
Nach dieser zähen Stelle kommt das Buch wieder in Schwung, es gibt ein gut geschriebenes Finale und zack, nächster Kritikpunkt, es folgt ein relativ offenes Ende. Man kann sich zwar durchaus denken, was nun passiert, ich hätte es aber gerne ausgeschrieben gehabt, das mag ich lieber. Ich hasse offene Enden.
Fazit: Ich fand es fesselnd und grausig bis zum leider offenen Ende. Das Buch hat Längen, bietet aber einen Bösewicht, den man bemitleidet. Auch mal was. Die Längen konnte ich lesen, weil ich so neugierig auf den Ausgang war, der, ich monierte es bereits, leider zu viel Spielraum für Eigeninterpretationen lässt.
Ich habe andere Rezensionen gelesen, in vielen ist das Buch komplett durchgefallen. Wenn es euch in die Hände fällt, lest ruhig mal rein und probiert aus, ob es auch auch so fesselt wie mich. Falls nicht, ist auch nichts verloren, es ist sicher keine Lektüre, die lebensverändernde und daher zu verinnerlichende Weisheiten enthielte. ;-)
Im Rahmen meines Buchprojekts hat dieses Buch unchronologisch die Nr. 17.