Hach ja.
Dieses Buch habe ich via Blogg Dein Buch erhalten, vielen Dank dafür. Wen die Aktion interessiert: hier habe ich beschrieben, wie das Rezensieren für/mit/via Blogg Dein Buch funktioniert (nach unten scrollen!)
Bevor ihr diese Rezension lest, möchte ich darauf hinweisen, dass ich ordentlich spoilern werde, das heißt, inhaltliches vorwegnehmen. Das mache ich deshalb, weil ich erklären will, warum ich dieses Buch so mies finde. Falls ihr es gerne lesen möchtet und euch etwas Spannung bewahren wollt, lest also diese Rezension bitte erst hinterher.
Für "Untat" von Guido Rohm habe ich mich aus mehreren Gründen entschieden:
Erstens fand ich die Selbstdarstellung des Autors ziemlich witzig.
Guckt mal hier:
"Guido Rohm über sich:
Am Anfang stand meine Geburt im Jahre 1970. Später ergaben sich Kindheit und Jugend, die ich irgendwann abschütteln konnte. Ich rauche und schreibe in Fulda. Der Tod scheint mir unvermeidlich. Bis es soweit ist, trinke ich Kaffee und genieße die Aussicht von meinem Balkon."
Das finde ich einigermaßen charmant und hoffte darauf, dass sich ein ähnlicher Humor oder Sprachstil im Buch wiederfände. Dem war aber nicht so.
Zweitens mag ich Thriller/Krimis, das wisst ihr ja mittlerweile.
Und drittens geht es um ein sehr spannendes Thema - wie das jedoch umgesetzt wurde ist eine andere Frage, dazu dann weiter unten mehr. Das Buch handelt von zwei Journalisten, die ein Arrangement mit einem Kidnapper eingehen; er entführt eine Kind und die beiden (falls es denn zwei sind, das ist alles etwas unklar gelassen worden) sollen das neutral dokumentieren und nicht intervenieren.
Klappentext:
"Wir sind nervös. Natürlich. Das wären Sie doch sicherlich auch, wenn Sie sich in wenigen Minuten einem Verbrecher anvertrauen würden. Oder?" Wie wird man zum Verbrecher? Zwei Journalisten heuern bei Oscar, einem "bösen Buben", an und werden Augenzeugen einer Kindesentführung. Doch statt zu einer packenden Reportage entwickelt sich dieses Abenteuer zu einem Albtraum: Sind die Journalisten selbst Opfer – oder doch Täter? Ist Oscar ein Psychopath oder ein Aufschneider? Aus der vermeintlichen Distanz des Beobachters wird man hineingezogen in ein beängstigendes und brutales Geschehen.
Das berührt ein interessantes Thema; Verantwortung für das eigene Tun.
Natürlich kann man auch durch Nicht-Handeln handeln, etwa wenn man bewusst keine erste Hilfe leistet. Oder wenn man sich entscheidet, nicht einzugreifen, wenn jemand beleidigt wird, wegzusehen, wenn jemand sich falsch verhält.
In der Tugendethik gibt es sogar eine Position, die vertritt, dass es moralisch verwerflich ist, keinen erste Hilfe Kurs zu besuchen, da man ihn benötigen könnte, sofern man mit Menschen zu tun hat. Wer das nachlesen will: Roberta Foot Diese Position ist meiner Meinung nach überzogen, ebenso müsste dann jeder Mensch lernen, wie man Babys entbindet, falls man mit weiblichen Menschen zu tun hat, da diese schwanger sein und Hilfe bei der Entbindung benötigen könnten- you get my point. Wo zieht man da den Schlussstrich, wofür ist man verantwortlich zu machen?
Wer Lust hat, dazu noch mehr zu lesen, könnte im Netz nach "Die Natur des Guten" von Philippa Foot suchen und sich dann weiter durchklicken.
Wie neutral sind etwa Fotograf_Innen und Reporter_Innen, die aus Kriegsgebieten berichten, dabei nicht intervenieren, wenn sie könnten?
Spontan fallen mir zu dem Thema noch die Aussagen von Deutschen mit Faschismushintergrund ein, die in der Nazizeit durch Nicht-Handeln und Wegsehen handelten und sich darauf beriefen, nichts gewusst zu haben.
An und für sich also ein superspannendes Thema.
Die Umsetzung in diesem Buch aber bereitet mir ernste Probleme.
Hier wird nichts analysiert, erklärt, begreiflich zu machen versucht. Hier wird nur kurz und knapp etwas behauptet. So lapidar aber ist das unglaubwürdig.
Der Stil des Buches ist generell knapp gehalten, wer lieber Sätze mit Nebensätzen und Kommata mag, ist hier definitiv an der falschen Adresse.
Die Figuren des Buches werden nicht groß skizziert, der oder die journalistische/n "Wir-Erzähler" sind nicht zu unterscheiden, wie sie aussehen, wer sie en detail sind, wie sie leben wird nicht beschrieben.
Das Buch ist darauf aus, die Lesenden im Unklaren zu lassen;
Handelt es sich wirklich drei Personen? Wird der alte Mann erschossen oder war das Einbildung?
Wird das entführte Kind vergewaltigt und gefoltert oder doch nicht?
Das funktioniert aber nicht. Dafür bleibt alles zu offen und zu vage und zu lapidar.
Der Verdacht des Journalisten, der, wie gesagt, eine Entführung dokumentieren will, dass das entführte Mädchen vom Entführer vergewaltigt wird, soll mit zwei, drei Sätzen a lá: "Das kann nicht sein. So etwas würde er nicht tun. Wir tranken noch ein Bier und schauten einen Porno. Es war nicht geschehen." glaubwürdig zerstreut worden sein. Das klappt aber nicht.
Ich habe das Buch recht schnell ausgelesen, Kunststück, es hat ein kleines Format und nur 140 Seiten. Dabei habe ich immer wieder den Kopf geschüttelt und die Augen verdreht, weil das Buch einfach nicht funktioniert.
So schnell und einfach schaltet kein Mensch seine Moral und seine Empathie ab, ob nun angelernt oder angeboren.
Der oder die Journalist/en in dem Buch verprügeln das kleine Mädchen schließlich selbst, weil sie um Hilfe schreit - so schnell verroht keiner, nicht nach drei Tagen Bier trinken und Pornos gucken.
Zu Ende des Buches werden übrigens, jetzt der Mega-Spoiler, die beiden Journalisten für die Entführung, Vergewaltigung und Mord an dem kleinen Mädchen verantwortlich gemacht und verhaftet. Im Gefängnis werden sie, wenn es denn zwei sind, vergewaltigt - und das wird auch wieder so larifari abgehandelt, als wäre das nichts.
Fazit:
Also für mich, falls ihr es noch nicht mitbekommen haben solltet, funktioniert das Buch trotz interessanter Ausgangsfragestellung überhaupt nicht.
Die Moral des Ganzen, dass am Ende die involvierten Beobachter vor dem Gesetz als Schuldige verantwortlich gemacht werden, finde ich nachvollziehbar, aber all diese dürren dahingestreuten Wörtchen in kurzen Sätzen, die Dinge behaupten, statt sie zu erklären oder wenigstens machen das Buch für mich zum Flop.
Das Buch ist im
Conte Verlag erschienen und hier für 10,90 € zu bestellen:
>>klick<<. Meine ehrliche Meinung: invetiert die 10 € lieber anders.
Die anderen Rezensionen zum Buch, die ich im Netz fand, waren übrigens durchweg begeistert bis positiv - kennt ihr das Buch zufällig und was haltet ihr davon, wenn ja?
Katharina