Mittwoch, 12. Juni 2013

[Rezension] Guido Rohm: "Untat"

Hach ja.
Dieses Buch habe ich via Blogg Dein Buch erhalten, vielen Dank dafür. Wen die Aktion interessiert: hier habe ich beschrieben, wie das Rezensieren für/mit/via Blogg Dein Buch funktioniert (nach unten scrollen!)

Bevor ihr diese Rezension lest, möchte ich darauf hinweisen, dass ich ordentlich spoilern werde, das heißt, inhaltliches vorwegnehmen. Das mache ich deshalb, weil ich erklären will, warum ich dieses Buch so mies finde. Falls ihr es gerne lesen möchtet und euch etwas Spannung bewahren wollt, lest also diese Rezension bitte erst hinterher.

Für "Untat" von Guido Rohm habe ich mich aus mehreren Gründen entschieden:
Erstens fand ich die Selbstdarstellung des Autors ziemlich witzig.




Guckt mal hier:
"Guido Rohm über sich:
Am Anfang stand meine Geburt im Jahre 1970. Später ergaben sich Kindheit und Jugend, die ich irgendwann abschütteln konnte. Ich rauche und schreibe in Fulda. Der Tod scheint mir unvermeidlich. Bis es soweit ist, trinke ich Kaffee und genieße die Aussicht von meinem Balkon."
Das finde ich einigermaßen charmant und hoffte darauf, dass sich ein ähnlicher Humor oder Sprachstil im Buch wiederfände. Dem war aber nicht so.



Zweitens mag ich Thriller/Krimis, das wisst ihr ja mittlerweile.
Und drittens geht es um ein sehr spannendes Thema - wie das jedoch umgesetzt wurde ist eine andere Frage, dazu dann weiter unten mehr. Das Buch handelt von zwei Journalisten, die ein Arrangement mit einem Kidnapper eingehen; er entführt eine Kind und die beiden (falls es denn zwei sind, das ist alles etwas unklar gelassen worden) sollen das neutral dokumentieren und nicht intervenieren.

Klappentext:
"Wir sind nervös. Natürlich. Das wären Sie doch sicherlich auch, wenn Sie sich in wenigen Minuten einem Verbrecher anvertrauen würden. Oder?" Wie wird man zum Verbrecher? Zwei Journalisten heuern bei Oscar, einem "bösen Buben", an und werden Augenzeugen einer Kindesentführung. Doch statt zu einer packenden Reportage entwickelt sich dieses Abenteuer zu einem Albtraum: Sind die Journalisten selbst Opfer – oder doch Täter? Ist Oscar ein Psychopath oder ein Aufschneider? Aus der vermeintlichen Distanz des Beobachters wird man hineingezogen in ein beängstigendes und brutales Geschehen.
Das berührt ein interessantes Thema; Verantwortung für das eigene Tun. 
Natürlich kann man auch durch Nicht-Handeln handeln, etwa wenn man bewusst keine erste Hilfe leistet. Oder wenn man sich entscheidet, nicht einzugreifen, wenn jemand beleidigt wird, wegzusehen, wenn jemand sich falsch verhält. 

In der Tugendethik gibt es sogar eine Position, die vertritt, dass es moralisch verwerflich ist, keinen erste Hilfe Kurs zu besuchen, da man ihn benötigen könnte, sofern man mit Menschen zu tun hat. Wer das nachlesen will: Roberta Foot Diese Position ist meiner Meinung nach überzogen, ebenso müsste dann jeder Mensch lernen, wie man Babys entbindet, falls man mit weiblichen Menschen zu tun hat, da diese schwanger sein und Hilfe bei der Entbindung benötigen könnten- you get my point. Wo zieht man da den Schlussstrich, wofür ist man verantwortlich zu machen? 
Wer Lust hat, dazu noch mehr zu lesen, könnte im Netz nach "Die Natur des Guten" von Philippa Foot suchen und sich dann weiter durchklicken.

Wie neutral sind etwa Fotograf_Innen und Reporter_Innen, die aus Kriegsgebieten berichten, dabei nicht intervenieren, wenn sie könnten?
Spontan fallen mir zu dem Thema noch die Aussagen von Deutschen mit Faschismushintergrund ein, die in der Nazizeit durch Nicht-Handeln und Wegsehen handelten und sich darauf beriefen, nichts gewusst zu haben. 
An und für sich also ein superspannendes Thema.

Die Umsetzung in diesem Buch aber bereitet mir ernste Probleme.

Hier wird nichts analysiert, erklärt, begreiflich zu machen versucht. Hier wird nur kurz und knapp etwas behauptet. So lapidar aber ist das unglaubwürdig.
Der Stil des Buches ist generell knapp gehalten, wer lieber Sätze mit Nebensätzen und Kommata mag, ist hier definitiv an der falschen Adresse.
Die Figuren des Buches werden nicht groß skizziert, der oder die journalistische/n "Wir-Erzähler" sind nicht zu unterscheiden, wie sie aussehen, wer sie en detail sind, wie sie leben wird nicht beschrieben.
Das Buch ist darauf aus, die Lesenden im Unklaren zu lassen;

 Handelt es sich wirklich drei Personen? Wird der alte Mann erschossen oder war das  Einbildung? 
Wird das entführte Kind vergewaltigt und gefoltert oder doch nicht?

 Das  funktioniert aber nicht. Dafür bleibt alles zu offen und zu vage und zu lapidar.
Der Verdacht des Journalisten, der, wie gesagt, eine Entführung dokumentieren will, dass das entführte Mädchen vom Entführer vergewaltigt wird, soll mit zwei, drei Sätzen a lá: "Das kann nicht sein. So etwas würde er nicht tun. Wir tranken noch ein Bier und schauten einen Porno. Es war nicht geschehen." glaubwürdig zerstreut worden sein. Das klappt aber nicht.

Ich habe das Buch recht schnell ausgelesen, Kunststück, es hat ein kleines Format und nur 140 Seiten. Dabei habe ich immer wieder den Kopf geschüttelt und die Augen verdreht, weil das Buch einfach nicht funktioniert. 
So schnell und einfach schaltet kein Mensch seine Moral und seine Empathie ab, ob nun angelernt oder angeboren.

Der oder die Journalist/en in dem Buch verprügeln das kleine Mädchen schließlich selbst, weil sie um Hilfe  schreit - so schnell verroht keiner, nicht nach drei Tagen Bier trinken und Pornos gucken.

Zu Ende des Buches werden übrigens, jetzt der Mega-Spoiler, die beiden Journalisten für die Entführung, Vergewaltigung und Mord an dem kleinen Mädchen verantwortlich gemacht und verhaftet. Im Gefängnis werden sie, wenn es denn zwei sind, vergewaltigt - und das wird auch wieder so larifari abgehandelt, als wäre das nichts.
Fazit: 
Also für mich, falls ihr es noch nicht mitbekommen haben solltet, funktioniert das Buch trotz interessanter Ausgangsfragestellung überhaupt nicht.
Die Moral des Ganzen, dass am Ende die involvierten Beobachter vor dem Gesetz als Schuldige verantwortlich gemacht werden, finde ich nachvollziehbar, aber all diese dürren dahingestreuten Wörtchen in kurzen Sätzen, die Dinge behaupten, statt sie zu erklären oder wenigstens machen das Buch für mich zum Flop. 
Das Buch ist im Conte Verlag erschienen und hier für 10,90 €  zu bestellen: >>klick<<. Meine ehrliche Meinung: invetiert die 10 € lieber anders.

Die anderen Rezensionen zum Buch, die ich im Netz fand, waren übrigens durchweg begeistert bis positiv - kennt ihr das Buch zufällig und  was haltet ihr davon, wenn ja?




Katharina

12 Kommentare:

  1. Also nach deiner Rezi würde ich das Buch nicht lesen ^^ Danke für die ehrliche Meinung. Theoretisch ist das Thema auch spannend, wobei sich mir die Nackenhaare sträuben, wenn ich von Vergewaltigung von Kindern lese - nene, danke, das möchte ich nicht lesen ...

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    1. Vor allem dann nicht, wenn das so nebenbei abgetan wird. Ich schicke das Buch an meine Lieblingsrezensistin ponine weiter und bin ganz gespannt, wie sie das Buch einschätzt.

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  2. :-p Ich bin ja sowas von gespannt darauf, mal schauen, was daraus wird!

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  3. Das Thema ist sicherlich interessant [und erinnert so ein bisschen an Deutsch-Lektüren aus der Schulzeit...], doch wenn alles so "nebenher" läuft...wo bleibt denn da die Handlung? Das Mitfiebern? Das [Un-]Verstehen?

    Ich habe vor langer Zeit mal ein Buch gelesen, das begann ungefähr so:
    Guten Tag, mein Name ist Paul. Ich bin ein Serienmörder.

    DAS war spannend :D

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    1. ui, kommr mir bekannt vor, ich weiß aber gerade gar nicht, woher...

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  4. Thank you for the honest review!

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  5. Ich habe das Buch auch reviewt und empfinde es genauso. Scheinbar werden aber auch viele Bucher verlegt, wenn nur die Grundidee interessant ist. Ich als Verlagschef hätte es definitiv abgewiesen, denn als Leser frage ich mich die ganze Zeit was das soll. Was sind das für Journalist (wenn überhaupt), die nie das Tonband laufen lassen, nicht filmen, nicht einmal etwas aufschreiben, die so dermaßen meinungslos sind und ohne Rückgrad und Moral auftreten?
    Wie du, ver stehe ich auch absolut nicht, wie man das Buch so dermaßen loben kann.

    liebe Grüße~

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    1. Ich habe jetzt mehrfach die interpretation gelesen, dass es eigentlich nur um eine PErson geht - aber auch das hätte man geschickter lösen können. Habe ichglaube ich auch schon besser gelesen, sowas, z.B. bei Fitzek.Danke für deinen Kommentar!

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    2. Ich empfinde das auch als eher plump. Nichts gegen Bücher, in denen der Leser sich selbst Gedanken machen muss, aber das ist ja wie einem Hund einen Knochen vorzuwerfen. Danke dir auch für die Rezension. Wenn man seine eigene Bewertung auf BdB immer mit den anderen abgleicht frage man sich schon manchmal ob man etwas falsch verstanden hat oder so. Wobei ich finde, dass dieses Buch nichts mit geschmackssache zu tun hat, weil es einfach zu hastig verlegt wurde bzw ihm gute hundert oder mehr Seiten fehlen um dem Ganzen Hand und Fuß zu verleihen.

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  6. Auch ich habe das Buch von Blogg dein Buch bekommen und ich fand es auch nicht wirklich gut. Bin froh, dass ich es mir nicht gekauft habe, sonst täte mir das Geld mehr als leid. War absolut nichts für mich!

    Liebe Grüße
    Alex

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    1. Ich hab die Rezension bei dir jetzt gefunden, Danke sehr!

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    2. und ich hätte mich auch aufgeregt, wenn ich dafür Geld ausgegeben hätte.

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Danke für deinen Kommentar!
Ich habe nichts gegen Bloglinks, gucke aber sowieso bei jedem unbekannten Namen mal rüber. ;-)
Einen schönen Tag wünsche ich!