Montag, 23. September 2013

Empowernde Kinderbücher #1: Der Raufboldteddy" von Rose Impey und Sue Porter

Ein kurzes Vorwort zu dieser Serie, die mir sehr am Herzen liegt: 
Wieso und Warum?
 Im überwiegenden Teil der in Deutschland erhältlichen Kinderbücher findet sich eine Welt, in der die Kinder weiß und blond oder braunhaarig sind und nur weiße Familienangehörige haben. 
Schwarze Kinder aber auch Kinder of Color kommen oft in einem Kontext vor, der Schwarzein aus dem Alltag in "ferne Länder" verschiebt. 
Schlimmstenfalls wird Schwarzsein problematisiert, indem Schwarze Kinder als hilfsbedürftig und passiv dargestellt werden, hier fällt mir direkt die ewigwährende Plakatkampagne mit dem Schwarzen blinden Kind auf dem Arm seiner Mutter ein. 
Oder die Werbung für Patenschaften oder für die Welthungerhilfe. 



 Auch wenn Werbung für Hilfsorganisationnen an und für sich etwas Gutes ist: All diese Bilder existieren ja nicht einfach so. Sie beeinflussen und verändern unsere Wahrnehmung von Schwarzen Menschen und weißen Menschen, unsere Vorstellung von Afrika und Afrikaner_Innen, von Deutschen, davon, wer deutsch ist, wer dazu gehört und wer nicht. 
Wusstet ihr, dass der aus dem heutigen Ghana nach Deutschland verschleppte Anton Wilhelm Amo seine Doktorarbeit in Deutschland im Jahr 1729 geschrieben hat, in Halle und Jena gelehrt hat? Solche Informationen, die einen Gegenpool zu den eher stereotypen Bildern von Schwarzen Menschen als hilfsbedürftig, zu retten, arm, ungebildet etc. bilden könnten, werden im Schulwesen und an der Uni aber nicht gelehrt.

Ich will für meine Kinder Bücher, mit denen sie sich positiv identifizieren können, wo sie sich nicht irgendwann mit den Bildern vergleichen und sich dann als abweichend empfinden.

Und wer jetzt behauptet, dass Kinder Hautfarben nicht wahrnehmen: Doch. Tun sie. Sie werten sie nur nicht.

Meine Jungs sind Schwarze Kinder in einer weißen Mehrheitsgesellschaft und darum habe ich früh recherchiert, mit welchen Büchern ich ihnen eine Realität zeigen kann, die nicht nur unserer zu Hause entspricht, sondern auch der Realität, mit der die meisten Kinder tagtäglich zu tun haben: Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und unterschiedlichen Aussehens, für die das meist gar nicht so besonders ist, dass es ständig thematisiert werden muss. Darum sind die Bücher dieser Reihe auf Ahora Mismo auch nicht nur als Empfehlungen für Schwarze Kinder und Kinder of Color zu sehen, sondern für alle Kinder. Ich habe eine lange Liste mit Büchern hier, die ich zum Teil uneingeschränkt, zum Teil mit Abzügen empfehlen oder besprechen kann. 
Es soll auch um Bücher gehen, in denen z.B. homosexuelle oder transidente/ queere  Menschen vorkommen,  Alleinerziehende und Gehandicapte. 

Denn Inklusion hört ja an meinem Tellerrand nicht auf.
Am liebsten ist es mir, wenn Vielfalt ganz normal dargestellt wird, ohne sie groß zu thematisieren.a lá "Xy ist Schwarz und trotzdem ganz normal" Ich übertreibe natürlich, aber ihr versteht, was ich meine? Non?

Ich bespreche diese Bücher nach bestem Wissen und Gewissen, bin aber als Weiße in Mehrheitsdeutschland sozialisiert worden und schließe nicht aus, dass andere Menschen meine Rezensionen kritisch sehen. Ich freue mich über Ergänzungen.

Fragen, die sich zu Büchern stellen, wären zum Beispiel:
Wessen Aussehen oder Herkunft wird wie beschrieben, womit verglichen? 
Wessen Aussehen oder Herkunft wird nicht beschrieben?
Was wird als normal dargestellt, was als anders/abweichend?
Wer handelt, wer bleibt passiv? 
Wer entscheidet? 
Wie sehen die Illustrationen aus?


Aber jetzt zum ersten Buch der Reihe: 



 "Der Raufbold-Teddy" von Rose Impey und Sue Porter –Parabel Verlag – 20 Seiten. 

Es handelt sich um ein Bilderbuch mit wenig Text. 
Ich habe keine Altersangaben gefunden, nehme aber an, dass das Buch für 1-3 Jährige geeignet ist, danach ist es vielleicht zu wenig Text. 
Das Buch ist ein Hardcover mit normalen Buchseiten, also keine Pappbilderbuch. 

Inhalt: Ein kleiner schwarzer Junge erzählt von seinem Familienleben. Er berichtet vom Teddy seiner jüngeren Schwester, der sich gerne mit den Familienmitgliedern rauft. Zu kurzen Texten sieht man, wie der Teddy und die jüngere Schwester die Mutter beim Yoga attackieren und mit ihr balgen, wie die Schwester/Teddy sich an den am Esstisch sitzenden Vater anpirschen und mit ihm toben, wie das Mädchen und der Teddy im Kinderzimmer spielen und auf dem beim Toben besiegten Jungen sitzen. Text auf der Seite: „Manchmal tu ich so, als wenn er gewinnt"
 Am Ende der Geschichte geht der Teddy auf das Mädchen los und beide landen erst in einem Teich, dann in der Badewanne und dann sitzt die ganze Familie auf dem Sofa und die Mutter näht Teddys Bein wieder an.

 Alle Familienmitglieder sind schwarz und werden in ihrem ganz durchschnittlichen Familienalltag dargestellt, es gibt keine Exotisierungen, Hautfarbe wird nicht thematisiert. 

Was ich an dem Buch noch mag: Der große Bruder schein sich etwas unschlüssig zu sein, ob der Teddy ein autonomes Wesen ist oder ob seine Schwester dahinter steckt. Vielleicht teilt er auch nur ihre sich im Spiel einsfühlende kindliche Perspektive. Zu Ende der Geschichte, als der Teddy und die Schwester raufend einen Berg herunterrollen und dann beide traurig gucken, kommt die Texstelle: „Manchmal geht Teddy auch auf meine Schwester los. (…) Dann muss sie ihn streicheln und lieb haben.“ Dass sich streiten und aggressiv sein etwas ist, dem vom Gegenpart mit Trost und Liebe statt mit Strafe und Sanktionen begegnet wird, finde ich schön. 
Es wird vermittelt, dass auch Wut und Zorn legitime Emotionen sind und dass man auch oder grade geliebt wird, wenn man sich streitet. 
Preis: Das Buch ist  antiquarisch ab 0, 93 Cent + Versand zu bekommen, neu kostet es ca. 5,90 €. 
Auch auf Englisch unter de Titel "Tough Teddy"


Kommentare werden dankend entgegengenommen!                           Katharina


6 Kommentare:

  1. Liebe Katharina,
    ich teile deine Vorliebe für Geschichten, in denen die (dunkle) Hautfarbe nicht weiter thematisiert wird. Meine Kinder sind schon etwas älter, und ich habe das Gefühl, dass die Tatsache, dass sie anders aussehen, immer weniger wichtig wird. Wahrscheinlich reiner Gewöhnungseffekt ;-)
    Viele Grüße Dora

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    1. Hallo Dora, danke für deinen Kommentar. Was ich nicht verstanden habe:weniger wichtig für wen? Deine Kinder oder dich?
      Ich habe oft von erwachsenen bzw. älteren Schwarzen Menschen gehört, dass die fremdzuschreibungen gerade im schulalter noch mal härter werden. Liebe grüße!

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    2. Für mich war es schon immer total unwichtig. Sie haben einfach perfekte Haut, perfekte Haare und alles andere stimmt auch zu 100% ;-)
      Nein, mir ist aufgefallen, dass in den ersten (Grund)schuljahren schon häufig gefragt wird, warum seht ihr so aus und eure Mama ganz anders. Später (ca ab Klasse 4) ist das Thema dann durch. Entweder die Kinder haben dann alle die Regeln der Vererbung verstanden oder sie werden höflicher? Das sind wie gesagt nur meine Beobachtungen, und wie sich das entwickelt, bleibt abzuwarten. Ich wüßte ja auch nicht, was es da zu werten gibt, aber ich habe schon das Gefühl, manche Kinder versuchen intuitiv den wunden Punkt bei anderen zu finden, und da bieten sich dunkle Haut oder krause Haare natürlich an. Wobei das meinen Sohn härter trifft als seine Schwestern. Nicht das andere Aussehen, sondern das übertrieben oft darauf hingewiesen/angesprochen zu werden. Toller Blog!

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    3. Ah, vielen Dank für die ausführliche Erklärung! Das ist in der Tat eine interessante Beobachtung. Ich muss zugeben, dass ich etwas Angst vor der Schule habe, ich habe einfach so viele kackstories gehört mittlerweile. Lehrer_innen, die das n*Wort benutzen etc etc. Uaaahhhh.
      Danke für Kommentare und Kompliment! :-)

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  2. ...ich habe keine Kinder und habe mir deswegen auch noch keine Gedanken über Kidnerliteratur gemacht, hatte heute aber in einem ganz anderen Kontext ähnliche Gedanken.

    Besonders gut finde ich deine Aussage, dass Kinder Hautfarben schon wahrnehmen, doch nicht werten - und das finde ich ganz wichtig und sollten sich alle mal zu Herzen nehmen.

    [Am Rande: Neuer Header? =) Schick!]

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    1. Danke! Ich bin voll verliebt in den header und glaube, nach all der rumbastelei der letzten Monate darf der hier jetzt länger bleiben.
      Ich habe so oft gehört, dass Kinder Hautfarben nicht wahrnehmen, das stimmt einfach nicht. Kind eins hat schon mit 1, 5 immer Schwarzen Männerb hallo gesagt, den weißen aber nicht. Das hat er bei Papa gesehen und imitiert (in Berlin grüßen sich viele Schwarze Menschen, auch wenn sie sich nicht kennen )das ist mein Beweis. ^ ^

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Danke für deinen Kommentar!
Ich habe nichts gegen Bloglinks, gucke aber sowieso bei jedem unbekannten Namen mal rüber. ;-)
Einen schönen Tag wünsche ich!