Lieber Himmel!
Im Januar letzten Jahres schrieb ich eine Kolumne, mit dem Titel "Lieber deutscher Soldat". Ich berichtete von einem Freund, den ich in den Krieg nach Afghanistan verabschieden musste. Damals nannte ich einfach Krieg, was sich erst seit kurzer Zeit in unseren Sprachgebrauch wie völlig selbstverständlich anzuschmiegen beginnt. Ich fragte damals: "Warum sind in Afghanistan deutsche Soldaten stationiert?"
Letzte Woche bei dem Begräbnis der am Karfreitag gefallenen Soldaten, war die Rede vom Helden und vom Tod fürs Vaterland. Das wird bei den vier am Donnerstag gefallenen Soldaten auch so sein. Ich kann mir nicht helfen, ich kriege da immer Beschämungsschüttelfrost. Dort unten kämpft niemand für unsere Freiheit. Das ist eine große, dreiste Kriegslüge. Der Krieg wird nicht gegen die Taliban geführt, sondern gegen Afghanen. Dabei sollen möglichst viele Taliban vernichtet werden. Weil unsere Kanzlerin und unser Verteidigungsminister noch nicht genug hatten von Toten, wurde den Truppen gleich darauf schweres Geschütz versprochen. Man hat gerade drei Soldaten in die Erde gelegt und verspricht als Lektion daraus mehr Waffen?!
Unsere Soldaten sollen beim Volk Vertrauen wecken. Auch so ein Unfug. Unsere Soldaten laufen über die Märkte und können nicht eine Silbe Dari oder Paschtu. Wie soll man denn da in Kontakt treten? In einer Dokumentation auf Phoenix hieß es, "wir verständigen uns mit Händen und Füßen". Ich würde mir als Afghanin in die Hose machen, wenn sich mir ein riesiger Soldat mit dunkler Sonnenbrille nähert und der Gewehrlauf auf der Höhe meines Herzens hin und her baumelt, während der Soldat bei mir Vertrauen schaffen will.
Deutschland zählt akribisch jeden gefallenen deutschen Soldaten. Doch eine Statistik über die Opfer des Afghanistaneinsatzes liegt der Regierung nicht vor. Wir machen Krieg und zählen nur tote Soldaten! Wir zählen keine Zivilisten! Es gibt offiziell keine toten Afghanen!! Wie verlaufen denn eigentlich die Parameter für Verhältnismäßigkeiten? Das pompöse Argument der eigenen Freiheit auf Kosten der Freiheitsberaubung ist sehr morsch.
Seit Jahren reisen deutsche Journalisten nach Afghanistan und schreiben, was unsere Verteidigungsminister im Flugzeug zwischen Landung und Truppenbesuch sagen. "Embedded" heißt diese neue Handhabung der Presse, man kann es auch Geiselnahme nennen. Die Armee entscheidet, was der Journalist zu sehen und zu hören bekommt. Diese Beeinflussung erfüllt 1 a die Kriterien von Propaganda.
Wir können alle nach Afghanistan einreisen, aber umgekehrt geht es nicht. 408 Afghanen warten derzeit in Deutschland unter Gefängnisbedingungen auf die Entscheidung über ihre Asylanträge. Die Chance, dass einem Antrag stattgegeben wird, wenn man sagt, dass der Ehemann einen vermöbelt hat, statt einfach zu sagen, bei uns herrscht wegen euch Krieg, ist auch eine Folge der Kriegslüge.
Wäre ich eine Afghanin, ich hätte Lebensekel und Überdruss. Man hat nur dieses eine Leben und durch dieses marschieren Männer und verbreiten Angst und Schrecken. Wenn es keine Taliban sind, sind es Soldaten aus der ganzen Welt. Und wenn man das hinter sich gelassen hat, wartet der deutsche Behördenapparat. Himmelherrgott!
Ihre Mely Kiyak
Samstag, 17. April 2010
ein beachtenswerter artikel von Mely Kiyak zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr war heute in der berliner zeitung:
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Ich habe nichts gegen Bloglinks, gucke aber sowieso bei jedem unbekannten Namen mal rüber. ;-)
Einen schönen Tag wünsche ich!